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(aus: Andreas Laun, Liebe und Partnerschaft aus katholischer Sicht, Franz-Sales-Verlag, Eichstätt 6., neu bearb. u. erw. Aufl. 2000, 97-108)
XIII.
Empfängnisregelung – Empfängnisverhütung
In vielen anderen Bereichen weiß man längst um die schlimmen Folgen bestimmter Eingriffe in die Natur, obwohl anfänglich als Fortschritt gepriesen!
Allerdings, was den Leib der Frau und den Bereich der Zeugung betrifft, melden im nicht-kirchlichen Raum vorläufig nur wenige ihre Bedenken an:
Soll man Froschteiche schützen, gesunde Frauen aber zwingen Tag für Tag hochwirksame Präparate der Chemie zu schlucken? Welche Interessen verfolgen all jene Leute und Organisationen, die den Menschen schon in frühester Jugend die Verhütungsmittel einreden wollen – sind sie wirklich am Wohl und den Anliegen der Frauen interessiert? Fördern Verhütungsmittel die eheliche Liebe? Oder dienen sie, abgesehen von dem finanziellen Gewinn, vielleicht doch vor allem dazu, männlichem Begehren noch mehr Spielraum zu geben?
Heute bejahen diese Frage auch manche Feministinnen und geben damit dem – ehedem verlachten – Papst Paul VI. Recht.
Trotz des scheinbar allmächtigen Zeitgeistes mit seinen gewaltigen finanziellen Mitteln und trotz des Widerstandes sogar in den eigenen Reihen ist die katholische Kirche bei ihrem Nein zur Pille und anderen Verhütungsmethoden geblieben:
Der Mensch sollte den ehelichen Akt einschließlich seiner Fähigkeit neues Leben zu zeugen, weder durch Verhütungsmittel verstümmeln noch durch künstliche Befruchtung ersetzen, so verständlich die Motive sowohl für das eine als auch für das andere in einzelnen Fällen auf den ersten Blick hin auch sein mögen.
Allerdings, obwohl die Medien fast keine Gelegenheit auslassen sich über diese Lehre der Kirche lustig zu machen, ist das, was die Kirche darüber wirklich denkt und lehrt, weithin unbekannt geblieben.
1. Die Bereitschaft zum Kind
Im Widerspruch zum Zeitgeist: Kinder sind ein Segen Gottes! Kinder zu bekommen ist in der jüdisch-christlichen Tradition ein Segen, es wird gepriesen und gefeiert und nicht, wie heute so oft, als Krankheit oder untragbare Last hingestellt, die es um jeden Preis zu vermeiden gilt. Erst auf diesem Hintergrund kann man die katholische Lehre richtig verstehen:
Es gibt gültige und glückliche Ehen, die kinderlos bleiben oder zum Beispiel wegen einer schweren Erbkrankheit kinderlos bleiben müssen. Aber die grundsätzliche Bereitschaft Kinder zu bekommen gehört zur Ehe. Das Zweite Vatikanische Konzil sagt dazu: “Ehe und eheliche Liebe sind ihrem Wesen nach auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft ausgerichtet. Kinder sind gewiss die vorzüglichste Gabe für die Ehe und tragen zum Wohl der Eltern selbst sehr viel bei. Derselbe Gott, der gesagt hat: ‚Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei‘ (Gen 2,28) und der ‚den Menschen von Anfang an als Mann und Frau schuf‘ (Mt 19,14), wollte ihm eine besondere Teilnahme an seinem schöpferischen Wirken verleihen, segnete darum Mann und Frau und sprach: ‚Wachset und mehret euch‘.”[1] Ein Kind zeugen ist, im Licht des Glaubens gesehen, darum keineswegs ein nur biologisches Geschehen (wie auf der Ebene der Tiere), sondern gerade eine “religiöses Ereignis”: Die Eltern wirken mit Gott mit![2]
Wie viele Kinder ein bestimmtes Ehepaar haben kann oder soll, ist Sache ihrer persönlichen Gewissensentscheidung. Die Eltern sollen, so das Konzil, “durch gemeinsame Überlegung versuchen sich ein sachgerechtes Urteil zu bilden.” Wie man das macht, beschreibt der Text folgendermaßen: “Hierbei müssen sie auf ihr eigenes Wohl wie auf das ihrer Kinder – der schon geborenen oder zu erwartenden – achten; sie müssen die materiellen und geistigen Verhältnisse der Zeit und ihres Lebens zu erkennen suchen und schließlich auch das Wohl der Gesamtfamilie, der weltlichen Gesellschaft und der Kirche berücksichtigen. Dieses Urteil müssen im Angesicht Gottes die Eheleute letztlich selbst fällen.” Die konkrete Zahl der Kinder ist also wirklich eine Gewissens-Entscheidung im klassischen Sinn des Wortes. Außenstehenden – und auch Priester können hier nur “von außen” mitreden – steht es frei, sich eine Meinung zu bilden und, wenn sie darum gebeten werden, diese auch kundzutun. Die Entscheidung fällen kann nur das Ehepaar selbst.
Die “richtige” Zahl ist weder “möglichst viele” noch das kühl-rational geplante Einzelkind. “Richtig” ist die Zahl, für die sich jedes einzelne Ehepaar entscheidet, und zwar auf Grund seiner besonderen, nicht zu verallgemeinernden Lage, die dennoch die Objektivität der Kriterien nicht ausschließt. Es gibt nicht die einzig “wahre” und allein verantwortbare Kinderzahl. Immer bleibt den Eltern ein Ermessensspielraum. Die Kirche möchte den Eltern nur Mut machen eher mehr als weniger Kindern das Leben zu schenken.
2. Das bedingungslose Ja zum unerwarteten Kind
Wenn sich freilich wider Erwarten und Planung ein weiteres Kind ankündigt, dann gibt es für Christen nicht den geringsten Zweifel am Lebensrecht dieses Kindes. Sie sollten es annehmen und den Mut haben von “guter Hoffnung” zu reden, weil ihnen der Glaube sagt: Die Frau ist nicht einfach “schwanger”, sondern “gesegneten Leibes”! Dass wir diese alten, sprechenden und schönen Begriffe so gut wie verloren haben, ist wohl auch ein – trauriges – Zeichen der Zeit.
Es gibt keine Abtreibung, die gerechtfertigt wäre, weil es niemals gut ist, einen unschuldigen Menschen direkt zu töten. Das gilt auch dann, wenn das Kind schwer behindert sein sollte. Darum lehnt die Kirche auch jene vorgeburtlichen Untersuchungen ab, die einzig und allein den Zweck haben, das Kind im Fall einer Behinderung “rechtzeitig” abtreiben zu können. Außerdem, und auch das sollte man wissen und niemand in der Kirche bestreitet es, ist Abtreibung die viel größere Sünde als Verhütung[3] – so diese wirklich Verhütung und nicht im Grunde doch wieder Abtreibung ist. Von manchen “Verhütungsmitteln” sagen es die Beipackzettel, dass sie sowohl verhütend als auch abtreibend wirken.
3. Das Nein der Katholischen Kirche zur “künstlichen Verhütung“
Zunächst: Was ist es, was die Kirche ablehnt? Die Antwort lässt an Deutlichkeit nicht zu wünschen:
“Der direkte Abbruch einer begonnenen Zeugung, vor allem die direkte Abtreibung – auch wenn zu Heilzwecken vorgenommen –, sind kein rechtmäßiger Weg die Zahl der Kinder zu beschränken und daher absolut zu verwerfen. Gleicherweise muss, wie das kirchliche Lehramt des öfteren dargetan hat, die direkte, dauernde oder zeitlich begrenzte Sterilisierung des Mannes oder der Frau verurteilt werden. Ebenso ist jede Handlung verwerflich, die entweder in Voraussicht oder während des Vollzugs des ehelichen Aktes oder im Anschluss an ihn beim Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als Mittel zum Ziel.”[4]
Damit ist wirklich jede irgendwie sterilisierende Intervention ausgeschlossen und es ist unnötig, die verschiedenen Mittel und Methoden aufzuzählen. Die Kirche hält sie letztlich für unmoralisch. Wohlbemerkt: Der Eingriff in das Zeugungsgeschehen wird nicht abgelehnt, weil er künstlich ist, sondern weil er das, was zusammengehört, “künstlich” auseinanderreißt, nämlich die wunderbare Einheit von Liebe und Zeugung. Noch ein anderes Missverständnis besteht darin zu meinen, künstliche Verhütung und Natürliche Empfängnisregelung seien eben nur zwei verschiedene Methoden:
“Die Natürliche Empfängnisregelung ist nicht eine Methode unter vielen anderen. sie unterscheidet sich wesentlich von den angeführten und allen anderen Methoden der Empfängnisverhütung. Diesen ist gemeinsam dass sie durch irgendwelche Vorgangsweisen Mittel oder Eingriffe den natürlichen Vorgang der Empfängnis oder den natürlichen Verlauf der Schwangerschaft aktiv und manipulativ d. h. durch einen Eingriff verhindern. Bei der Natürlichen Empfängnisregelung hingegen wird weder etwas verhütet noch verhindert, sie bedeutet vielmehr ein Eingehen auf die Gegebenheiten der natürlichen schöpfungsgemäßen Veranlagung der Frau – und auch des Mannes. Deshalb wird in diesem Falle von natürlicher Empfängnisregelung gesprochen bei allen anderen Methoden von (künstlicher) Empfängnisverhütung.”[5]
4. Das kirchliche Ja zur Empfängnisregelung
Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Weichen für “Humanae vitae” gestellt: “Wo es sich um den Ausgleich zwischen ehelicher Liebe und verantwortlicher Weitergabe des Lebens handelt, hängt die sittliche Qualität der Handlungsweise nicht allein von der guten Absicht und Bewertung der Motive ab, sondern auch von objektiven Kriterien, die sich aus dem Wesen der menschlichen Person und ihrer Akte ergeben und die sowohl den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe wahren. Das ist nicht möglich ohne aufrichtigen Willen zur Übung der Tugend ehelicher Keuschheit. Von diesen Prinzipien her ist es den Kindern der Kirche nicht erlaubt, in der Geburtenregelung Wege zu beschreiten, die das Lehramt in Auslegung des göttlichen Gesetzes verwirft.”[6] Angesichts des vielen Unsinns, der über die kirchliche Lehre gerade in diesem Punkt behauptet wird, ist es wichtig, sie genau darzulegen:
a. Das Ja der Kirche zur verantworteten Elternschaft
Entgegen der in früheren Zeiten da und dort vertretenen Meinung, das Eheleben habe, soweit es auf das Wollen der Eltern ankommt, nur und immer der Zeugung zu dienen, hat das kirchliche Lehramt klargestellt: Die Kirche ist für Empfängnisregelung und für verantwortete Elternschaft im schon beschriebenen Sinn.
Die heikle Frage ist nur: Wie geht das konkret? Glücklich über jede Entdeckung, die uns die Gesetze des weiblichen Zyklus noch besser aufschließt als bisher und in der Hoffnung auf weitere, hilfreiche Fortschritte der Medizin antwortet die Kirche:
Die Ehepartner sollten ihre Zuflucht nicht bei technischen oder chemischen Mitteln suchen, sondern die Verantwortung selbst wahrnehmen, und zwar indem sie sich gemeinsam dem Rhythmus der weiblichen Fruchtbarkeit unterordnen.
“Einer ordne sich dem anderen unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus” (Eph 5,21), sagt Paulus. Dabei hat er sicher nicht an die Empfängnisregelung gedacht. Aber heute kann man sagen: Die Haltung des gegenseitigen Sich-Unterordnens hat einen neuen, überraschend aktuellen Sinn bekommen, weil sie, wie wir entdeckt haben, gerade auch für den sexuellen Bereich gilt. Beide, Mann und Frau, sollen ihr sexuelles Verhalten auf die Fruchtbarkeit der Frau nach Maßgabe ihrer verantwortbaren Elternschaft abstimmen.
b. Das Wissen um die biologischen Zusammenhänge und die Sicherheit der Methode
Das notwendige Wissen über die biologischen Gesetzmäßigkeiten ihrer Sexualität müssen sich Frauen und Männer freilich aneignen, aber das ist heute möglich vor allem auf Grund der bahnbrechenden Arbeit des österreichischen Arztes J. Rötzer, der die sogenannte Sympto-Thermale Methode zur Bestimmung der fruchtbaren bzw. unfruchtbaren Zeiten der Frau entwickelt hat. Der Begriff “sympto-thermal” verweist auf die Art, wie die Erkenntnis gewonnen wird: Die Frau wird angeleitet, die Veränderungen ihres Körpers beim Nahen und Enden der fruchtbaren Zeiten wahrzunehmen. Zu diesen Zeichen gehören vor allem die Veränderung des Zervix-Schleimes (“Symptom”) als auch die ansteigende Körpertemperatur (“thermal”). Rötzer nennt seine Methode “NER”, das heißt “Natürliche Empfängnis Regelung”. In jeder Familie sollte es das Buch geben![7]
Übrigens ist es falsch und wird von der Entwicklung längst Lügen gestraft, wenn man behauptet, NER sei unsicher. Die angesehene Fachzeitschrift “British Medical Journal” stellte dazu 1993 fest: Die Behauptung, die sozusagen “katholische Methode” der Natürlichen Empfängnisregelung sei bedeutungsgleich für Wirkungslosigkeit, ist überholt. Vor allem für die Menschen der Dritten Welt ist diese Methode bestens geeignet! Vorwiegend in den Entwicklungsländern hat sich auch das australische Ehepaar Billings einen Namen gemacht: Sie leiten die Frauen an nur auf die Feuchtigkeit, also auf den Zervixschleim zu achten, und knüpfen dabei an der Erfahrung der Leute an: Wenn es regnet (“Feuchtigkeit”), ist das Land fruchtbar, bei Trockenheit hingegen wächst nichts! Aus verschiedenen Gründen bewährt sich diese vereinfachte, dadurch freilich auch weniger verlässliche Methode in diesen Ländern ziemlich gut.
Gut ist es auch zu wissen, wie wunderbar die Zusammenhänge sind. So etwa weiß man seit kurzem, dass die männliche Samenflüssigkeit Stoffe enthält, die auf die Stimmung der Frau eine wohltuende Wirkung haben.
Zum medizinischen Wissen gehört übrigens auch das Zur-Kenntnis-Nehmen der medizinisch mehr oder weniger schlimmen Folgen und Schwächen eigentlich aller Verhütungsmittel. Tatsächlich werden diese weitgehend verharmlost oder überhaupt verschwiegen, und zwar einerseits auf Grund finanzieller Erwägungen, andererseits aus ideologischen Gründen. Wohlgemerkt: Medizinische Nachteile sind nicht die Gründe der Kirche, die für diese Frage nicht zuständig ist. Aber sie nüchtern wahrzunehmen, ist für die betroffenen Menschen über die moralische Frage hinaus von größter Wichtigkeit.
In der Fachliteratur werden als “Nebenwirkungen” zum Beispiel der Pille genannt: Erhöhtes Risiko von Herzinfarkten und Hirnblutungen, Embolien, Leberschäden, höhere Infektionsraten, Krebsrisiko, Veränderungen im Verdauungstrakt, Sterilität, aber auch psychische Störungen und Libidoabnahme bis zum totalen Verlust des sexuellen Empfindens! Ehmann fasst zusammen: “Noch nie wurde ein so potentes Pharmakon mit so vielen Unbekannten ohne medizinische Indikation gesunden Menschen verabreicht. Noch nie wurde ein Pharmakon nach Bekanntwerden so vieler und so schwerwiegender Nebenwirkungen so lange im Handel belassen wie die Ovulationshemmer.” Und bitter fügt er hinzu: “Noch nie hat ein Pharmakon der chemischen Industrie so viel Geld gebracht.”[8]
Übrigens haben die Ovulationshemmer paradoxerweise auch eine negative Wirkung auf die Männer: Über das Grundwasser gelangen Unmengen weiblicher Hormone (neben anderen, in gleicher Weise wirksamen Substanzen) in den Nahrungszyklus und führen zu einem Absinken der männlichen Fruchtbarkeit (in manchen Regionen auch bei den Tieren). Auch dieses Faktum gehört zu den Tabu-Themen der Zeit.
c. Der notwendige Verzicht
Aber wie auch immer die fruchtbare Zeit erkannt wird, es bedeutet für das Verhalten der Ehepartner: Wenn kein weiteres Kind zu verantworten ist oder von den Partnern in einem bestimmten Abschnitt ihrer Ehe noch nicht gewünscht wird, sollten sie in den fruchtbaren Zeiten der Frau enthaltsam leben. Dies verlangt, wie heute fast jedes Kind schon weiß, eine gewisse Bereitschaft zum Verzicht sogar dann, wenn der Zyklus der Frau regelmäßig und leicht berechenbar ist. Den notwendigen Verzicht sollte man weder übertreiben noch verständnislos herunterspielen. Verzichten-können gehört einfach zum Leben des Menschen, auch in diesem Bereich und es gibt wahrhaft schlimmere Leiden als von Zeit zu Zeit sexuelle Enthaltsamkeit auf sich nehmen zu müssen. Wer dies wirklich für unzumutbar hält, könnte darüber nachdenken, aus welchen anderen Gründen er sehr wohl auf das eheliche Bett und noch dazu leichten Herzens verzichtet – vielleicht genügt ihm dafür die Aussicht auf ein Kartenspiel oder ein Glas Bier mit einem alten Freund. Um höherer Motive willen soll Verzichten unzumutbar oder gar unmöglich sein?
Allerdings, in seltenen Fällen kann der Verzicht, das sehen auch die Päpste so, sehr schwer sein und zum heroischen Opfer werden. Das ist dann der Fall, wenn der Zyklus der Frau eine hinreichend sichere Bestimmung nur schwer zulässt oder wenn die Ehepartner aus beruflichen Gründen nur ganz unregelmäßig zusammenkommen könnten – es aber gerade dann, wenn der Mann für kurze Zeit heimkommt, gerade nicht geht (etwa bei Fernfahrern). Der für andere durchaus zumutbare Verzicht wird zum schweren Opfer. Freilich sollte man dabei nicht übersehen: Es gibt auch andere Umstände, die einem Menschen sexuelle Enthaltsamkeit über Jahre hinweg abverlangen können. Wie viele Frauen haben, um ein Beispiel zu nennen, Jahre auf ihre Männer warten müssen, bis diese endlich aus der Kriegsgefangenschaft heimkehren konnten. Auch während der Schwangerschaft und nach der Geburt gibt es Zeiten der Enthaltsamkeit – aus rücksichtsvoller Liebe.
Über die Reichweite des Gebotes, das “Humanae vitae” verkündet, wird sicher noch weiter nachzudenken sein. Denn die Enzyklika spricht vom ehelichen Akt und zum Beispiel nicht von einer Vergewaltigung. Das heißt: Besteht die akute Gefahr einer Vergewaltigung, dürfen sich Frauen gegen eine mögliche Schwängerung durch ein Verhütungsmittel (das wirklich nur verhütet, nicht abtreibt) schützen. Aber sexuelle Gewalt gibt es, wie man weiß, auch in der Ehe.
d. Gründe für die Natürliche Empfängnis-Regelung
Falsch ist das Eingreifen in das Zeugungsgeschehen nicht deswegen, weil es künstlich ist. Wäre “Künstlichkeit” als solche unmoralisch, dürften wir auch bei größten Schmerzen nicht mehr zum Zahnarzt gehen und müssten auch sonst auf unzählige Segnungen der Technik verzichten.
Falsch ist die “künstliche” Verhütung vielmehr deswegen, weil sie in den intimsten und wunderbarsten Bereich der fruchtbaren menschlichen Liebe eingreift. Diese Liebe soll der Mensch nehmen, wie sie ist. Es gibt eine Reihe von wichtigen Argumenten, die verstehen lassen, wie diese Lehre der gegenseitigen Liebe gut tut und zum Gelingen der Ehe beiträgt:
– Die Natürliche Empfängnisregelung bezieht beide Partner in die Verantwortung ein. Sie verhindert, dass der Mann der Frau das Problem der Verhütung zuschiebt und sie damit allein lässt.
– Es geht nicht bloß um eine “Methode”, sondern um eine Grundhaltung der Ehrfurcht. Der Mann verlangt der Frau keine sexuelle Dauer-Verfügbarkeit ab, sondern ordnet sich mit seinem Verlangen ihrem Rhythmus unter. Er respektiert ihre fruchtbare Weiblichkeit und erweist ihr so seine Liebe. Die Frau darf sein, was sie ist und wie sie ist, und muss sich nicht ständig präparieren um dem Mann bzw. seinem Verlangen zu entsprechen. Auch in diesem Sinn könnte man die Formulierung von P. Handke verstehen, der einmal eine seiner Figuren sagen lässt: “Ich erwarte von einem Mann, dass er mich liebt für das, was ich bin, und für das, was ich werde”, nämlich eine Mutter! So gesehen ist dieser Weg in höchstem Maße frauenfreundlich.
– Zeiten der Enthaltsamkeit lassen außerdem immer wieder Spannung und Sehnsucht aufkommen, die der Liebe dienen. Denn die sexuelle Enthaltsamkeit “zwingt” gleichsam die Partner ihre Liebe und Zärtlichkeit nicht auf den Geschlechtsverkehr zu reduzieren. Sie kann wieder etwas von dem Glanz und dem Reichtum der ersten Liebe in die Ehe zurückbringen. Enthaltsamkeit könnte so auch die Probe aufs Exempel sein, dass Liebe mehr ist als sexuelle Befriedigung.
– Wenn man die Sprache des Leibes wirklich ernst nimmt, dann muss man zugeben: die Verhütungstechniken sind nicht nur ein Nein zur Möglichkeit einer Zeugung, sondern sie stehen auch im Widerspruch zur körperlichen Liebe, die sie angeblich erst ermöglichen. Wenn nämlich das Verströmen des männlichen Samens in den Schoß der Frau ein Ausdruck des Sich-Schenkens und des Eins-Werden in Liebe ist: Die Verhütung zerstört diese sexuelle Körpersprache, weil sie Barrieren errichtet (bei Kondomen oder Pessaren besonders sinnenfällig) und die männliche “Gabe” auf jeden Fall “unschädlich” zu machen sucht. Es ist wie bei einem Magersüchtigen: Er will, was er gegessen, wieder erbrechen und widerspricht damit dem Sinn des Essens.
– Wenn zur Sprache des Leibes die Nacktheit, also die radikale Offenheit in der Hingabe gehört, darf man fragen, ob die vorausgehende Veränderung der biologischen Identität, die eine fruchtbare wäre, mit der Wahrhaftigkeit dieser Hingabe übereinstimmt.
– Die wichtigste und eigentliche Begründung wird in der berühmten Enzyklika “Humanae vitae” so umschrieben: Die Lehre der Kirche “gründet in einer von Gott bestimmten unlösbaren Verknüpfung der beiden Sinngehalte – liebende Vereinigung und Fortpflanzung –, die beide dem ehelichen Akt innewohnen.” Wenn der Papst von “unlösbarer” Verknüpfung spricht, meint er natürlich nicht, sie bestehe von Natur aus immer oder der Mensch könne sie nicht auflösen. Wenn er das annehme, wäre er nicht nur völlig uninformiert, sondern er bräuchte seine Enzyklika nicht schreiben: Wieso sollte er lehren, man dürfe nicht auflösen, was man gar nicht auflösen kann? Nein, gemeint ist eine moralische “Unlösbarkeit”. Darum fährt er fort: “Diese Verknüpfung darf der Mensch nicht eigenmächtig auflösen.”
– Wer also verstehen will, warum Verhütung schlecht ist, darf nicht bei den biologischen Gegebenheiten stehen bleiben, er muss sich in die “innerste Struktur” dieser wunderbaren Umarmung vertiefen – bis hin zu ihrer religiösen Dimension: Wenn die Ehe ein Abbild des Bundes Christi mit seiner Kirche ist, dann sollte auch die eheliche Vereinigung von Mann und Frau beseelt sein von der Liebe, mit der Christus seine Kirche liebt und ihr dadurch ständig neues Leben schenkt. Ein weiterer Grund, sie nicht manipulativ zu verkürzen – freilich ein Grund, den nur ein Gläubiger annehmen kann.
“Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen!” Das gilt für die Ehe und das gilt auch für die sexuelle Vereinigung.
e. Konfliktfall
Von diesen Höhen einer heiligmäßigen Art die Ehe zu vollziehen, zurück zu den allzu menschlichen Schwierigkeiten: Natürliche Empfängnisregelung bedarf der Zustimmung beider. Was aber tun, wenn der eine Partner bereit dazu wäre, der andere aber nicht? Für diesen Fall gibt es keine Patentlösung, aber der Liebe entspricht es, wenn der, der liberal denkt, nachgibt und den Gewissens-Einspruch seines Ehegatten respektiert. Ein solcher Verzicht aus Ehrfurcht vor dem (“katholischen”) Gewissen des anderen ist ein Akt höchster Liebe.
Wenn das nicht geschieht, bleibt nur die freilich nicht ideale Lösung, die Papst Pius XI. in seiner Ehe-Enzyklika genannt hat: Es ist möglich, dass der eine “das sündige Tun nur leidet, nicht vollbringt, indem er aus gewichtigen Gründen die Verkehrung der rechten Ordnung” (=die Anwendung von Verhütungsmitteln) “geschehen lässt ohne sie selber zu wollen”.[9] Das bedeutet dann freilich auch: Solange der Ehepartner Verhütungsmittel anwendet, sollte der andere diesem die Initiative zum Verkehr überlassen und natürlich erst recht auch die Anwendung des Mittels.
Was tun, wenn einer droht: “Entweder du akzeptierst Verhütungsmittel, oder ich verlasse dich”? Der Drohung nachgeben würde die Trennung vielleicht verhindern oder verzögern, Lösung wäre es keine. Eine solche Ehe ist bereits tödlich krank und es ist lächerlich zu meinen, sie würde durch die Preisgabe der eigenen moralischen Überzeugung geheilt werden können. Die ungeheuerlicher Lieblosigkeit einer solchen Zumutung wird die Ehe früher oder später doch zerstören.
f. “Die Empfängnis natürlich regeln” – Schutz gegen Scheidung
Aus den USA bekam ich ein Blatt, das unter Berufung auf wissenschaftliche Studien[10]folgendes behauptet:
Paare, die nur zivilrechtlich heiraten: 50% enden in Scheidung
Paare, die in der Kirche heiraten: 33% enden in Scheidung
Paare, die in der Kirche geschlossen werden und in die Kirche gehen: 2% enden in Scheidung
Paare, die mit der Natürlichen Empfängnisregelung leben: 2 –5% enden in Scheidung
Paare, die in der Kirche heiraten, in die Kirche gehen und gemeinsam beten: nur 1 von über 1000 endet in Scheidung!
Ich wünschte mir, die Studie würde sorgfältig und kritisch überprüft! Denn das ist wirklich aufregend: Man stelle sich vor, das wäre wahr! Wie viel Leid von Erwachsenen und Kindern ließe sich vermeiden – und es würde kein Geld kosten, keine teueren Beratungen, keine Therapien und was sonst noch angeboten wird! Es wäre eine Sensation und wir Christen müssten es unseren unglücklichen Schwestern und Brüdern aus vollem Hals zurufen – so laut wir nur können! Natürlich, dieses zunächst einmal unglaublich sensationelle Ergebnis sollte man überprüfen und, wenn es sich bestätigt, nachdenken, warum das so ist. Aber es zu übergehen, wäre angesichts des unbeschreibbaren Leidens, das sich aus den Scheidungen ergibt, wirklich nicht. Es hat in unserem Jahrhundert bewundernswerte Frauen gegeben, die ihr ganzes Leben der Erforschung von Menschen-Affen gewidmet haben. Und da wäre niemand, der eine so unvergleichlich kostbare Studie für die Menschen machen würde?
[1] Gaudium et spes 50. Auch die folgenden Texte sind diesem Dokument (Nr. 50ff) entnommen.
[2] Vgl. Johannes Paul II., Evangelium vitae 43.
[3] Vgl. Johannes Paul II., Evangelium vitae 13.
[4] Paul VI., Humanae vitae 14.
[5] Martin, Aus gutem Grund 25.
[6] Gaudium et spes 51. – Das Konzil redet von “Geburtenkontrolle”, weil die romanischen Sprachen die Unterscheidung von “Empfängnisregelung” und “Geburtenregelung” nicht kennen. In diesem Fall ist die deutsche Sprache viel genauer und daher sollte man unbedingt bei der Rede von “Empfängnisregelung” bleiben.
[7] Rötzer J., Der persönliche Zyklus der Frau (1999).
[8] Ehmann, Probleme 28.
[9] Pius XI., Casti connubii 104.
[10] Als Quellen wurden angegeben: Chicago Catholic: W. and N. Luellen; 1980; NFP Update… Office of NFP Diocese of Charleston Vol. 4, 2, June 1991; Humane vitae: A Generation later. Dr. Janet Smith p.127, 1991; The New Counter Culture. Ph. Lauter, The Wall Street Journal, Aug 13, 1993. Herausgeber des Blattes: Family of the Americas. P.O. Box 1170, Dunkirk, MD 20754. – E-Mail: family@upbeat.com Website: www.familyplanning.net