(vgl. Clowes, Brian, Die Tatsachen des Lebens, HLI-Österreich, Wien 2002, 32f).
Das Christentum hat seit seinen Anfängen die Empfängnisverhütung allgemein verurteilt. Zu den frühen Kirchenvätern, die gegen Verhütung schrieben und sich aussprachen, zählen der hl. Athenagoras, der hl. Ambrosius, der hl. Augustinus, hl. Barnabas, der hl. Basilius der Große, der hl. Clemens von Alexandria, der hl. Ephraim der Syrer, der hl. Epiphanius, der hl. Hieronymus, der hl. Johannes Chrysostomus, der hl. Hippolyt, Minucius Felix, Origenes, Tertullian sowie die Bischöfe, die beim Ersten Konzil von Nizäa versammelt waren.1
Als die verschiedenen protestantischen Konfessionen entstanden, verurteilten ihre Gründer und Führer die Verhütung ebenfalls, und zwar in sehr strengem Ton. John Calvin bezeichnete die Sünde der Verhütung als „verdammt“ und „doppelt monströs“ und Abtreibung als „ein unsühnbares Verbrechen“. John Wesley sagte, Verhütung „missfällt Gott sehr und ist der Beweis für schändliche Gefühle“. Martin Luther nannte jene, die Verhütungsmittel verwendeten, „Klötze“ und „Schweine“.2
Praktisch jeder Vorsteher jeder protestantischen Konfession verurteilte Verhütung ausdrücklich in Predigten und Niederschriften.
Bis zum 14. August 1930 stimmten die katholische Kirche und sämtliche kirchlichen Gemeinschaften in der Ablehnung künstlicher Mittel zur Empfängnisverhütung überein. Der erste Riss im Damm war jedoch die Resolution 15 der Anglikanischen Bischof-Lambeth-Konferenz am 15. August 1930, wo man unter bestimmten Bedingungen (den so genannten Härtefällen) Verhütungsmittel erlaubte und damit der weiteren permissiven Entwicklung Tür und Tor öffnete. Denn wie einst die „Härtefälle“ verwendet wurden, um Abtreibung auf Verlangen durchzusetzen – und so wie sie heute verwendet werden, um Euthanasie auf Verlangen durchzusetzen – wurden sie vor über 70 Jahren dazu benutzt, um den allseitigen Zugang zu Verhütungsmitteln durchzusetzen.
Der United States Federal Council of Churches (FCC, jetzt der National Council of Churches) billigte im März 1931 „die vorsichtige und zurückhaltende Verwendung von Verhütungsmitteln durch Eheleute“, während gleichzeitig zugegeben wurde, daß „schwere Übel, wie z.B. außerehelicher Geschlechtsverkehr, durch das allgemeine Wissen um Verhütungsmittel gefördert werden könnten.“
Interessanterweise hat sich selbst die weltliche Presse über die Haltung des FCC lustig gemacht. So schrieb etwa die Washington Post am 22. März 1931: „Der logische Schluß des Komiteeberichts, wenn er je ausgeführt werden sollte, würde den Tod für die Ehe als heilige Institution bedeuten, weil durch die Einführung erniedrigender Praktiken die willkürliche Sittenlosigkeit gefördert würde. Die Behauptung, daß die legale Verwendung von Verhütungsmitteln ‘vorsichtig und zurückhaltend’ sein würde, ist absurd.“
Die Ausweitung der Verwendung von Verhütungsmitteln von den „Härtefällen“ zu allen Fällen war nur mehr eine Frage der Zeit. Am Ende des 20. Jahrhunderts akzeptierten schließlich fast alle protestantischen Hauptkonfessionen (einschließlich Methodisten, Church of Christ, Episkopalkirche, Presbyterianer und Lutheraner) nicht nur die Verhütung, sondern auch die Abtreibung aus nahezu jedem Grund. Ein Hoffnungsschimmer am Horizont ist jedoch mehr und mehr in Sicht, da immer mehr Christen aller Konfessionen die Verbindungen zwischen Verhütung, Abtreibung, häufigem Partnerwechsel und Familienproblemen sehen.
Die Lehre der katholischen Kirche
Die Lehre der katholischen Kirche über Abtreibung und Verhütung könnte nicht eindeutiger sein. Nur jemand, der willentlich die Augen vor den Fakten verschließt, kann die Behauptung in die Welt setzen, dass es „Raum für verschiedene Meinungen“ über Abtreibung und künstliche Verhütung innerhalb der katholischen Kirche gäbe.
Die Kirche ist die Hüterin der Lehre vom Naturrecht. Da uns das Naturrecht von Gott gegeben wurde, hat die Kirche keine Autorität, dessen fundamentalen moralischen Prinzipien zu ändern. Die Kirche klärt allerdings bestimmte Sachverhalte im Licht neuer Erkenntnisse, aber die grundlegenden Prinzipien des Naturrechts bleiben in der Lehre der katholischen Kirche unverändert. Selbsternannte „katholische“ Dissidenten, die diesbezüglich auf Änderungen warten, werden daher umsonst warten.
Wenn Unterwanderung nicht gelingt …
Wenn die Unterwanderung der katholischen Kirche und ihrer Verkündigung nicht gelingt, schrecken Abtreibungsbefürworter auch nicht vor direktem Zwang oder vor Bestechung zurück.
Edouard Cardinal Gagnon, damals Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie, enthüllte bei einem Vortrag am 27. Juni 1989 in Washington, D.C., daß dem Vatikan, als dieser das Thema der Empfängnisverhütung in den sechziger Jahren aufgriff, „einige Millionen Dollar“ Bestechungsgeld geboten wurden, damit der Vatikan die Lehre der Kirche über die künstliche Verhütung abändere. Man würde der Kirche diese „Spende“ zukommen lassen, vorausgesetzt, sie würde ihre Lehre, wie sie in der Enzyklika Humanae Vitae (1968) dargelegt wurde, nicht öffentlich verkünden. Interessanterweise wurde das Bestechungsgeld vom pensionierten U.S. General William Draper angeboten, der damals Chef von International Planned Parenthood Federation (IPPF) war, dem weltweit größten Anbieter von Abtreibungen, Verhütungsmitteln, Sterilisationsprogrammen usw.3
Die Unwissenheit
Viele Katholiken wissen leider nicht, was die katholische Kirche tatsächlich lehrt und warum sie es lehrt. Durch die Gehirnwäsche der Medien kontinuierlich zum anti-römischen Affekt abgerichtet, halten sie lehramtliche Schreiben und lehramtliche Verkündigung automatisch für altmodisch, rückständig oder wie sonst die abwertenden Vokabeln lauten.
Die Wahrheit ist dabei eine andere. Die katholische Kirche ist diejenige Instanz, die – sei es gelegen, sei es ungelegen – sich stets und auch weiterhin traut, dem Menschen die Schönheit seiner Berufung mitzuteilen. Zu dieser Berufung gehört der verantwortungsvolle Umgang mit dem Geschenk der Sexualität, mit dem Geschenk der Fruchtbarkeit.
Das Argument, jeder solle, wenn es um den Bereich der Sexualität gehe, getrost seinem Gewissen folgen, steht auf wackligen Füßen. Denn bei dieser Aussage wird zumeist das Wesentliche unterschlagen: Das Gewissen will gebildet sein. Damit das Gewissen klar zwischen gut und böse, richtig und falsch unterscheiden kann, muss es ausreichend geschult sein. Zu einer solchen Schulung gehört notwendigerweise das Hören auf die Weisheit der kirchlichen Lehre, denn in der kirchlichen Verkündigung wird unser kleinlicher menschlicher Horizont erweitert und ausgerichtet an unserer endgültigen Bestimmung: Teilzuhaben an der Gemeinschaft mit Gott. Mit anderen Worten: damit mein Gewissen nicht in die Irre geht, indem es subjektive Willkür für echte Entscheidungen hält, bedarf es der objektiven Maßstäbe, die ihm das katholische Lehramt vermittelt.
Für den Gläubigen ist es ein Trost wahrzunehmen, dass sich die Lehre der katholischen Kirche in punkto Empfängnisverhütung und Abtreibung – trotz massiver Versuche der Manipulation und gezielter Angriffe auf die Kirche – nicht geändert hat. Sie ist der Fels in der Brandung des Zeitgeistes. Bei einem Treffen mit 300 katholischen Moraltheologen an der römischen Lateranuniversität am 12. November 1988, anlässlich des 20jährigen Jubiläums von Humanae vitae, fasste Johannes Paul II. die Lehre der Kirche gegen die Geburtenkontrolle in einem einzigen Satz zusammen:
„Keine persönlichen oder sozialen Umstände haben je oder können je solch einen [Verhütungs-] Akt rechtfertigen.“
Und in seiner Rede stellte der Papst auch unmissverständlich fest, daß das Verbot der Verhütung „von katholischen Theologen nicht in Frage gestellt werden kann.“
1 s. dazu etwa: Michael Ernst, „Morde nicht ein Kind durch Abtreibung!“ – Texte und Argumente zum Schwangerschaftsabbruch im frühen Christentum und seiner Umwelt, in: Geist und Feuer. Festschrift anlässlich des 70. Geburtstages von Erzbischof Alois M. Kothgasser SDB, hrsg. v. Renate Egger-Wenzel (Salzburger Theologische Studien 32), Salzburg 2007, 221-242.
2 Die Originalzitate sind zu finden in Charles Provan, The Bible and Birth Control,Monongahela, PA: Zimmer Press, 1989.
3 William Bole, „Cardinal Says Vatican Was Offered Bribe On Birth Control“, The Wanderer, 13. Juli 1989, S. 8.