Spirituelle Ausrichtung

 
Wer ist der Mensch? Wie ist die Welt zu deuten? Wo ist der Platz Gottes in der modernen Vision der Welt?

Zwei im Kern unvereinbare, da zur Gänze kontradiktorische Sichtweisen, geben heute Antwort auf diese grundsätzlichen Fragen, die seit je den Menschen bewegen.

Die erste Sichtweise ist die christliche. Die christliche Sicht des Menschen wurzelt in der Offenbarung und in der Vernunft, die aufgrund dieser Offenbarung zu ihren wahren Quellen und Höhen findet und ihren Niederschlag im katholischen Lehramt hat. Danach ist der Mensch Ebenbild Gottes, imago Dei, geschaffen von Gott, der Liebe ist. Die Höhe seines Menschseins, dargestellt im ersten Buch der Bibel, hat der Mensch aus eigenem Verschulden verloren, die Erbsünde hat die gottgewollte Integrität des Menschen verwundet. Gott aber, der Liebe ist, geht in seiner äußersten Liebe so weit, daß er seinen einzigen Sohn sendet, um den Menschen in seiner Würde wunderbar wiederherzustellen. Jesus Christus, der Urheber des Lebens, Er, in dem alles vor aller Zeit erschaffen ist, wird geboren von der makellosen Frau, er ist dem Gesetz unterstellt und gibt sein Leben in unüberbietbarer Hingabe am Kreuz dahin, um dem Menschen erneut das Tor des Paradieses zu öffnen.

In dieser christlichen realistischen Sicht des Menschen – im Blick auf seine Schuldverflochtenheit wie auf seine unverlierbare Würde der Gotteskindschaft, im Blick auf seine Erlösungsbedürftigkeit wie auf das ihm geschenkte Heil im einzigen Erlöser Jesus Christus – eröffnet sich eine Vision des Lebens, in der deutlich wird, daß jedes Leben, ja Leben überhaupt, nur in Christus, dem Erlöser, zu seiner schöpfungsgemäßen Fülle zu finden vermag und daß weiters die Immaculata, die von der Erbsünde freie menschliche Mutter des Erlösers, unabdingbar zum Heilswerk Christi dazugehört.

Die Kirche hat ihre Vision des Lebens in einer Vielzahl von Dokumenten und lehramtlichen Verlautbarungen stets aufs neue vorgelegt und den Menschen als erfüllende Wegweisung gereicht, gemäß ihres Auftrags, daß nur die Wahrheit, deren der Mensch durchaus fähig ist, den Menschen frei macht. Hier, in der Verkündigung des Lehramtes, findet sich das principium et fundamentum, welches dem Menschen in all seinen Sehnsüchten und ontologischen Orientierungen wahrhaft gerecht wird und das als christlicher Humanismus bezeichnet werden kann.

Dem gegenüber steht eine Konzeption, die als inhumaner Humanismus klassifiziert werden kann. Glaube und eine vom Glauben erleuchtete Vernunft spielen in diesem Entwurf keine Rolle. Entsprechend wird der Gedanke der Freiheit, die sich in der christlichen Sicht an der Vor-Gabe und Mit-Gabe der Wahrheit ausrichtet, neu interpretiert. Freiheit ist nun vollständig in den Verfügungsbereich des Menschen gerückt. Freiheit, wie es heißt, ist nur als emanzipierte gültig. Emanzipiert heißt: Losgelöst von jeder Ontologie oder Transzendenz.

Der Mensch wird dementsprechend eingehaust in sein Irdisches. Ewigkeit, Gott oder gar Erlösung werden zu Vokabeln, die entweder leer bleiben oder umgedeutet werden in bloße weltliche Begriffe. Das heißt, es gilt, Ewigkeit im Jetzt zu schaffen. ‚Gott‘ und ‚Erlösung‘ werden vom Menschen in die Hand genommen, der der uralten Versuchung erliegt: sicut eritis Deus, ihr werdet sein wie Gott. Die Techniker, die Macher, die Laboratorien, die Bevölkerungskontrolleure treten an die Stelle Gottes. Das Geschöpf wird jetzt produziert. Das Leben ist in logischer Folgerichtigkeit kein Unantastbares mehr, sondern ein Objekt, das zu manipulieren ist, wenn es in das Raster der neuen Freiheitsideologie nicht hineinpaßt. Kinder können nun, so sagt man, legal abgetrieben werden, wenn sie der sogenannten freien Wahl (choice) des Menschen in  die Quere kommen; Embryonen werden degradiert zu überzähligen Forschungsobjekten, behinderte Ungeborene fallen einem eugenischen Rassismus zum Opfer, alte Menschen werden zunehmend in den „schönen Tod“ geschickt. Dies alles unter der Flagge von Menschenfreundlichkeit und Wohlstand, unter denen sich tatsächlich ein Sozialdarwinismus breit macht, der den schwachen und „lebensunwerten“ Menschen rücksichtslos ausmerzt. Große internationale Organisationen, gleich ob International Planned Parenthood Federation, Marie Stopes oder UN-Abteilungen oder NGO’s, unterstützt von potenten Geldgebern und Konzernen, implantieren die neue Agenda, zu der stets die globale Kontrazeption gehört, weltweit und üben zugleich massive Kontrolle und massiven Druck auf die Länder aus, die sich dieser Kultur des Todes widersetzen.

Das Resultat des inhumanen Humanismus: Zerstörte Seelen und Länder (zumal die reichen Länder, in denen die Anti-Kultur des Todes seit Jahrzehnten ihr Unwesen treibt), die sterbende Nationen sind.

 Dies vorausgeschickt, will der 5. Welt-Gebets-Kongreß für das Leben in Rom, dem Herzen der Catholica, deutliches Zeichen der Zeit sein, indem er die Bedrohung der Anti-Kultur des Todes klar benennt und diagnostiziert, um desto entschiedener den Weg der Heilung und Rettung aufzuzeigen und zugleich betend und opfernd diesen Weg zu beschreiten.

Die Tage des Kongresses verstehen sich folglich -  in Fortsetzung zu den voraufgegangenen Kongressen in Fatima, Krakau, Lourdes und Wigratzbad – als Exerzitienweg. Die einzelnen Schritte dieses Weges, die Licht empfangen aus der Schrift selbst und da zumal aus dem Prolog des Johannesevangeliums, sind:

 

        1.      Dienstag – In principio

Jede wahrhaftige Besinnung über das Leben hat ihren Ausgang zu nehmen in Christus. Er ist der Anfang, der Ursprung, der Logos. Er ist das Licht und das Leben. Er ist der Einzige, der Kunde gebracht hat.

 

        2.      Mittwoch – Lux

„Denn bei Dir ist die Quelle des Lebens, in Deinem Licht schauen wir das Licht“, singt der Psalmist (36,10). In Seinem Licht klären sich in der Tat die Bestimmungen des Menschen. Das katholische Lehramt hat vor allem im letzten Jahrhundert in etlichen Verlautbarungen Stellung bezogen zu den Fragen von Ehe und Familie, Sexualität, Lebensschutz, Würde des menschlichen Lebens, humaner globaler Entwicklung usw.  Der zweite Kongreßtag widmet sich daher den diesbezüglichen prinzipiellen Perspektiven des Lehramtes, um derart die große Sicht der katholischen Kirche auf den Menschen klar und unmißverständlich darzulegen.

 

  3.      Donnerstag (Rosenkranzfest) – Lux in tenebris

„Den Himmel und die Erde rufe ich heute als Zeugen gegen euch an. Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wähle also das Leben, damit du lebst, du und deine Nachkommen “, so heißt es bereits im Alten Testament (Dtn 30,19).

Diese Wahl gilt es heute neu sichtbar zu machen. Was bedeutet es, die Kultur des Lebens zu wählen, was bedeutet es, die Kultur des Todes zu wählen. Die einzelnen Referate dieses Kongreßtages zeigen die Schönheit und Leuchtkraft der christlichen Vision und die Häßlichkeit und Zerstörungspotenz des inhumanen Humanismus. Die Referate verdeutlichen dabei auch dies: Trotz der attraktiven Gewalttätigkeit und des medialen Pomps der Anti-Kultur des Todes leuchtet das Licht in der Finsternis. Und die Immaculata ist reiner Widerschein dieses Lichtes.

 

        4.      Freitag – Verbum caro

Dies ist das unfaßbare Geheimnis: Gott wird Mensch. „In dem Wort vom Fleisch ist schon die Hingabe zum Opfer, das Geheimnis des Kreuzes und das Geheimnis des daraus kommenden österlichen Sakraments mit ausgesagt“ (Joseph Ratzinger/Papst Benedikt).

Der Schwerpunkt dieses Tages – neben den Referaten am Vormittag, welche die Thematik des Donnerstags vertiefen –  ist die Sühnemesse am Nachmittag in St. Peter. In ihr werden die internationalen Kongreßteilnehmer stellvertretend für die Nationen der Welt all die Sünden gegen das Leben in einem symbolischen Übergabeakt am Fuße des Kreuzes neiderlegen, in der sieghaften Hoffnung, daß Christus in seinem Kreuzesopfer der Welt Vergebung, Rettung und Neuanfang schenkt.

 

        5.      Samstag – Gratia

Die Wahrheit, die in Christus aufleuchtet, da Christus die Wahrheit ist, will in den Nachfolgenden nicht nur erkannt, sondern auch tätig werden. Die Gnade will Frucht bringen, indem der Mensch sich öffnet für das Wirken der Gnade und die Werke der Barmherzigkeit übt.

Die Wunden der Abtreibung zu heilen – dies ist heute, in einer Zeit, in der die Abtreibung zum staatlich anerkannten Recht mutiert ist, eines der dringenden Werke der Barmherzigkeit. Wie kann dieses Werk konkret ausschauen? – Referenten aus unterschiedlichen Ländern, die seit Jahren im postabortiven christlichen Heilungsdienst tätig sind, berichten.

 

        6.      Sonntag – Gloria

Vidimus gloriam eius –Wir haben Seine Herrlichkeit gesehen. In diesen Jubel bricht der Lieblingsjünger Jesu im Prolog zu seinem Evangelium aus. Es ist der Jubel dessen, der – trotz schwer bedrängter Zeit und in schwer bedrängter Zeit – den Glanz des Immerwahren nicht aus dem Blick verliert, der an der Brust des Erlösers ruht, der aus dessen Fülle lebt und daher die Fülle des Lebens mitteilen kann. Daß diese Fülle mitten unter uns ist, heute, jetzt, dies wird Msgr. Reilly in seinem Festvortrag bezeugen.

 

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